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Käfer (Coleoptera)

Der Julikäfer - Amphimallon solstitiale (Linné, 1758)

Über diese Käferart war in den letzten Tagen einiges zu lesen und zu hören, besonders über das zahlreiche Auftreten auf dem Tempelhofer Feld. Der Käfer wird auch häufig Junikäfer genannt, eine Bezeichnung, die eigentlich Anomala dubia, einem weitläufigen Verwandten aus der Familie der Blatthornkäfer zusteht. Der Streit darum flammt aber selbst in Fachkreisen immer wieder auf und zeigt, dass die Verwendung von Trivialnamen meist problematisch ist. Hinzu kommt, dass A. solstitiale auch noch „Großer Brachkäfer“ oder neuerdings verstärkt auch „Torkelkäfer“ genannt wird.

Natürlich torkeln Julikäfer genausowenig wie Stolperkäfer (Valgus hemipterus , auch ein Blatthornkäfer) stolpern, aber es mag ein wenig so wirken. Das auf Menschen unkoordiniert wirkende Flugverhalten, dass auch von Besuchern des Tempelhofer Feldes wiederholt so beschrieben wurde, ist sehr gut geeignet, um fliegenden Fressfeinden in Gestalt von Fledermäusen zu entkommen. Jeder, der versucht hat, die Tiere aus der Luft zu fangen, kann sich vorstellen, wie schwer es die Fledermäuse damit haben dürften. Die Arten, die beim Fang ihre Flügel kescherartig einsetzen, dürften bei diesem Unterfangen erfolgreicher sein.

Der Käfer fliegt im Juli (von Ende Juni bis manchmal in den August hinein) hauptsächlich in der Nähe seiner Entwicklungsstätten umher. Dort werden dunkle Silhouetten am Horizont angeflogen, da die Tiere sich gern in Gebüsch und Bäumen zur Paarung treffen. Umherstehende oder –sitzende Personen auf einer Fläche wie dem Tempelhofer Feld wirken für die Käfer anfangs wie ein Bäumchen oder Busch und werden ebenfalls angesteuert. Wenn man ausharrt, werden es schnell mehrere und man hat die Chance, Einblick in das Familienleben der Julikäfer zu erlangen. Die Tiere sind komplett harmlos, können sich aber in längerem Haar oder in Textilien verfangen. Die hektischen Befreiungsversuche wirken auf den einen oder anderen offenbar wie Angriffe, sind aber das glatte Gegenteil. Die kurze Aktivitätszeit von rund vier Wochen, die den Käfern zur Verfügung steht, muss um jeden Preis genutzt werden, um einen Geschlechtspartner zu finden und – Falle der Weibchen – die etwa drei Dutzend Eier im Boden abzulegen.

Eiablageort und Entwicklungsstätte der aus den Eiern schlüpfenden Larven sind sandige Böden, die mit Gräsern und Kräutern nicht zu dicht bewachsen sind. Hierzu eignen sich auch Nutzrasen und Wiesen wie das Tempelhofer Feld hervorragend. Die bald schlüpfenden Larven benagen Pflanzenwurzeln (hauptsächlich der Gräser) und können bei hohen Besiedlungsdichten oberirdisch sichtbare Schäden an den Gräsern verursachen. In der Regel kollidieren aber menschliche Interessen eher nicht mit denen der Julikäferlarven. Nach fast drei Jahren Larvenzeit im Boden verpuppt sich die Larve in einer sogenannten Puppenwiege im Boden im Frühjahr des dritten Jahres (in wärmeren Regionen wird ein Jahr weniger benötigt, was möglicherweise in unserer Region auch gelingt, zumindest teilweise). Der nach wenigen Wochen aus der Puppe schlüpfende Käfer verläßt nach völliger Aushärtung an einem warmen Abend etwa Ende Juni erstmalig den Boden um das Licht der untergehenden Sonne zu erblicken. Dieser Vorgang wiederholt sich während der folgenden rund vier Wochen allabendlich, wenn es nicht zu kühl oder naß ist. Die Tiere graben sich im Laufe der Nacht wieder oberflächlich im Boden ein, um am nächsten passenden Abend pünktlich zu einem bestimmten Zeitpunkt der Dämmerung (ca. zwischen 21.00 und 21.45 Uhr, je nach Datum) wieder zu erscheinen. Die Weibchen vergraben regelmäßig einige Eier im Boden. Die Käfer selber fressen nur noch wenig am Laub verschiedener Gehölze.

Die Larven sind trotz ihrer unterirdischen Lebensweise beliebte Beutetiere. Wildschweine und Saatkrähen dürften dabei die auffälligsten Interessenten sein, letztere besonders im Winterhalbjahr, wenn viele Saatkrähen in der Stadt gastieren. Die Larven, ähnlich denen der Maikäferarten und ebenfalls Engerlinge genannt, haben noch einen ganz besonderen, aber sehr seltenen Feind: die Dolchwespe Scolia hirta. Die Wespenweibchen graben sich zu älteren Julikäferlarven (oder verwandter Blatthornkäfer) vor, versetzen dem Tier einen Stich, der sie paralysiert und belegen es mit einem Ei. Die Larve der Dolchwespe verzehrt die Käferlarve bei lebendigem Leibe. Dabei beginnt sie behutsam mit nicht lebensnotwendigen Teilen und arbeitet sich in Richtung wichtiger Bereiche vor. Schlußendlich erliegt die Käferlarve dem Verlust von wichtigen Organen.

Die Bezeichnung "Blatthornkäfer“ der Käferfamilie, zu der der Julikäfer gehört, bezieht sich auf den Bau der Fühler, die aus Lamellen bestehen, die fächerartig auseinander gespreizt werden können. Die gleichen Eigenschaften hat auch der Maikäfer, von dem die wohl am bekanntesten sein dürfte. Aber auch die Mist- und Rosenkäferarten haben einen solchen Fühlerbau und sind daher Blatthornkäfer, ebenso der Nashornkäfer und der Eremit (oder Juchtenkäfer). Sehr beeindruckende „Blatthörner“ hat der Walker, ein enger Verwandter von Juli- und Maikäfer innerhalb der Blatthornkäfer. Die Männchen dieser fast vier Zentimeter großen, braunschwarz und weiß marmorierten Käfer haben sehr große, etwas gewellte Fächerfühler.

Der hellbraune Julikäfer ähnelt habituell seinem Verwandten, den Maikäfern, ist aber anders gefärbt und mit knapp zwei Zentimetern Länge rund einen Zentimeter kleiner als Maikäfer. Das Verhalten und die Lebensweise sind recht ähnlich. Maikäfer fliegen aber schon ab Ende April bis in den Juni hinein und brauchen in unserer Region i. d. R. vier Jahre für die Entwicklung.

Der Julikäfer ist in Berlin noch sehr zahlreich und kann selbst in zentralen Bereichen der Stadt noch erfolgreich Biotope besiedeln, die den o. g. Ansprüchen entsprechen. Im Umland kommen noch lokal und sehr selten zwei weitere Amphimallon-Arten vor, die sehr ähnlich aussehen, sich aber in Hinblick auf Flugtageszeit (Tagflieger) oder Jahreszeit unterscheiden.

© 2015, Jens Esser, Entomologische Gesellschaft ORION Berlin gegr. 1890 e. V.

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